Vergewaltigung - eine akute Traumatisierung
Viele Frauen werden im Laufe ihres Lebens Opfer einer Vergewaltigung. Sexuelle Gewalt findet meistens im sozialen Nahraum, durch Partner, ehemalige Partner, Bekannte oder Familienangehörige statt. Der sexuelle Angriff durch einen Fremden kommt im Vergleich dazu seltener vor. Der Großteil der Vergewaltigungen gelangt nicht zur Anzeige.
Unmittelbar nach einer Vergewaltigung versuchen viele Frauen, so weiter zu machen, als ob nichts geschehen wäre. Die Psyche bewahrt sie vor einem möglichen Zusammenbruch, indem Teile des Erlebnisses, bereits während des sexuellen Angriffs, vom Bewusstsein fern gehalten werden. Ab dem Zeitpunkt, an dem das Individuum realisiert, dass es vor der Gewalt kein Entrinnen gibt, setzt der Mechanismus der Dissoziation ein. Unter Dissoziation versteht man das teilweise bzw. vollständige Auseinanderfallen von normalerweise zusammenhängenden Funktionen der Wahrnehmung, des Bewusstseins, des Gedächtnisses, der Identität und der Motorik. Eine kohärente Erinnerung an das Gewaltereignis ist daher nicht möglich. Es fällt den Betroffenen in der Regel schwer, das, was ihnen widerfahren ist, in Worte zu fassen. Daher entzieht sich der Vorfall zunächst weitgehend einer Verarbeitung. Sinnliche Eindrücke und Gedanken können die Erinnerung an das Trauma jederzeit aktivieren. Diese Reize werden als Trigger bezeichnet.
Psychotherapeutische Behandlung
Opfer von Gewalt benötigen oft eine bestimmte Zeit, bis sie sich in der Lage sehen, sich jemandem anzuvertrauen und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Schlafstörungen, Albträume und Konzentrationsstörungen sind oft der Anlass, sich an einen Psychotherapeuten/eine Psychotherapeutin zu wenden.
Betroffene sind oft der Überzeugung, an dem Ereignis selbst schuld zu sein: Wäre man in der Nacht nicht mehr aus dem Haus gegangen bzw. hätte man den Mann nicht in die Wohnung eingeladen, so hätte man den Vorfall vielleicht verhindern können. Traumatisierte Personen fühlen sich durch das tragische Ereignis von ihren Mitmenschen oft innerlich isoliert und unverstanden. Tatsächlich kann das soziale Umfeld die Reaktionen des Opfers auf das traumatische Ereignis manchmal nicht nachvollziehen. Angehörige und Freund_innen brauchen oft selbst Unterstützung. Ein Beratungsgespräch kann Verständnis dafür bringen, was die Vergewaltigung bei der betroffenen Frau, aber auch bei ihnen selbst auslöst.
Die Erfahrung, dass der vermeintlich namenlose Schrecken mitteilbar ist, hilft ihn zu begreifen. Und führt dazu, dass man anfängt, zu anderen wieder Vertrauen zu fassen. Ein Ziel der therapeutischen Arbeit besteht darin, aus der sicheren Perspektive der Gegenwart heraus, für das schlimme Erlebnis einen Platz in der eigenen Lebensgeschichte zu finden und sich dadurch nicht mehr ausgesetzt und wehrlos zu fühlen.
Für Opfer von Gewalt sieht das Verbrechensopferschutzgesetz die Möglichkeit einer Übernahme der Kosten für psychotherapeutische Behandlung vor.